zum zitierten Beitrag
Zitat von Pantaleon
Hab in einem amerikanischen Forum mal gelesen, daß der richtige Einbau der Nowe-Lager das eigentliche Problem wäre. Diese müssen absolut plan eingetrieben werden,da jedoch angeblich diese Arbeit von unmotivierten Hilfskräften ausgeführt werden würde,so wären diese öfters schief eingebaut und irgendwann kommt dann vielleicht der Kollaps.
Kann das jemand bestätigen oder ist das ein Märchen?
Hab auf meiner 2001 jetzt 60000 tkm drauf, die Spanner sehen beide super aus, trotzdem lasse ich Lager und Spanner tauschen.
Das Thema „Innere NW-Lager“ hatten wir hier schon öfter. Ich fasse mal zusammen und ergänze meine eigene Sicht der Dinge:
1. Das ist kein Märchen. Das gleiche Problem haben die Kipphebellager der BMW-Zweiventiler der 90er Baujahre, weil man sich gleich ab Werk für die Vollrollenlager entschieden hatte, und damit auch den gleichen Einbaufehler von Vollrollenlagern reproduzierte.
2. Das eine Lager ist nicht „schlechter“ als das andere, nur sind die Stärken verschieden. Das OEM- eingebaute INA- Käfignadellager ist das „Rennpferd“, was Drehzahlen über 4000/min verkraftet. Der „Ackergaul“ Torrington Vollrollenlager kann infolge fehlenden Führungskäfigs fast doppelt soviele Nadeln auf gleichem Raum aufnehmen wie das Käfignadellager und kann deswegen einerseits fast doppelt so hohe Kräfte aus der Ventilfederkraft über den Wellenzapfen in das Gehäuse ableiten, andererseits ist es kein „Rennpferd“, denn jede Rolle reibt sich rotierend mangels Distanzhaltung durch den fehlenden Käfig in voller Länge an ihren beiden Nachbarrollen, es wird also ab 4000/min zu heiß, zumal keine Zwangsölumg aus dem Ölumlaufsystem vorgesehen ist. Ein Ackergaul ist eben kein Rennpferd, aber kann vielmehr Last bewegen und damit ertragen.
3. Zu welchem Anforderungsprofil führt uns der Big-Twin? Die NW jedes Viertaktmotors rotieren mit halber Drehzahl der KW. Beim Big-Twin ist die Nenndrehzahl 5000/min. Das heißt, die NW-Lager müssen maximal 2500/min verkraften. Das Vollrollenlager hat beim HD-Big-Twin also noch massig Reserven bis 4000/min.
4. Warum nimmt HD seit den 90ern trotzdem das Rennpferd statt den Ackergaul? Eben zur Vermeidung des Vollrollenlager-spezifischen Einbaufehlers. Während beim Käfiglager ebenjener Käfig die Nadelrollen exakt axial in Position hält, weswegen man es manuell „mit krummer und schiefer“ Einpresskraft eintreiben kann, braucht das Vollrollenlager eine absolut exakt axiale Einpresskraft, die nur mit einem Spezialwerkzeug (erhältlich z.B. bei Jim´s) sichergestellt ist. Wenn man das „krumm und schief“ manuell eintreibt, verkanten sich die nicht parallel zwangsgeführten Rollen schräg weg aus der axialen Richtung, optisch so ähnlich wie die Zähne einer Schrägverzahnung. Dadurch stehen auch ihre scharfkantigen Enden schräg zur die Rollen im Lager haltenden vorderen und hinteren Blechführung und beginnen unweigerlich von der ersten Umdrehung an, diese durchzuscheuern. Irgendwann ist das Blech durch und die einzelnen Nadelrollen fallen irgendwo hin in den Motor und geraten vielleicht zwischen Steuerketten und deren Räder oder blockieren Schmieröffnungen und so weiter und so weiter.
6. Das Eintreibwerkzeug besteht aus einer Platte, die mit Passchrauben zur exakten rechtwinkligen Fluchtung der Platte mit der Gehäusebohrung für das hintere NW-Lager in den Schraublöchern des Gehäuses für das Lagerschild („Camplate“) verschraubt werden sollte, m.W. bei HD aber nicht ist, weil im Gehäuse in den Schraublöchern die Führungsbohrung vor dem Gewinde für die Schrauben „vergessen“ wurde. HD hält bekanntlich traditionell einige unorthodoxe Lösungen bereit, die so garnicht nach der reinen akademischen Lehre sind

. In die Platte wird der Eintreibbolzen in eine mit Gewinde versehene, „exakt“ mit der Gehäusebohrung fluchtenden Bohrung eingeschraubt und presst durch die Schraubdrehung das Vollrollenlager ein. „Exakt“ auch hier in Anführungszeichen, denn auch hier fehlt am Bolzen ist nicht als Passschraube mit an der Plattenbohrung korrespondierener Führungsbohrung ausgeführt, beide haben nur wie jede „Feld-, Wald-, und Wiesenschraube ein passendes Außen- bzw. Innengewinde

. Gewinde können aber keine 100%ig fluchtende Führung gewährleisten. So sind halt unsere lieben Amis, für solche Deutsch-Japanischen „Haarspaltereien“ haben die keinen Nerv, und außerdem kostet das viel zuviel, wo doch in der KFZ-Industrie um jeden Cent weniger pro Bauteil gerungen wird


7. Und das ist auch der Grund dafür, weshalb sich HD für die drehzahlmässig völlig unterforderten, aber durch die Lagerkräfte insbesondere durch die Ventilfedern vollgeforderten Käfignadellager entschieden hat. Die Einbaumöglichkeit ohne Verschrauben, EinTreiben und Abschrauben des Spezialwerkzeugs erlaubt zwei kostensparende Maßnahmen
- HD kann statt eines langjährigen erfahrenen einen billigen Angelernten der untersten Tarifstufe in beim NW-Einbau einsetzen
- Es wird kostenträchtige Produktionszeit gespart. Über die seit den J-Modellen gesamte Lebenszyklus von je 16 - 18 Jahren eines Bigt Twins summiert sich diese Ersparniss durchaus in bemerkenswerter Größenordnung auf. Deswegen haben sich in der KFZ-Industrie nie die genialsten Konstruktionen durchgesetzt, sondern die mit dem größten Einsparpotenzial. Wer jetzt mit dem Ducati-Köwe-Motor um die Ecke kommt: in seinem gesamten Lebenszyklus war Ducati ein planwirtschaftliches Unternehmen in Staatshand, dessen oberstes Ziel ausschließlich die soziale Erhaltung aller Arbeitsplätze war. Nach der Privatisierung stellte der neue Eigentümer Castiglioni wenig überraschend fest, dass Ducati von 72 bis 85 ungefähr 1500DM (natürlich in Lire) auf jede Köwe-Maschine draufgelegt hat, und trotzdem musste der Verkaufpreis erheblich über der japanischen Vierzylinder-Konkurrenz liegen.
Wenn ich jetzt natürlich die Hubhöhe der NW durch die SE255 oder gar durch die SE259 - die zudem auch noch verstärkte Ventilfedern erfordert - steigere, wird das lastaufnahmemäßig schon mit der Serienocke der Project Rushmore voll geforderte INA-Lager endgültige überfordert und gerät in den Zeitstandsbereich der guten alten Wöhlerkurve. Will heißen: Das Ende ist absehbar

8. Und was war mit den Vollrollenlagern in den BMW-Kipphebeln, die unsere qualitätsbewußten deutschen Ingenieure wegen der hohen Ventilfederkraft eines großen Zweizylinder-Zweiventilers gleich in der Serie eingesetzt hatten? Genau der gleiche Einbaufehler. Wer das leise Geklacker unter den Ventildeckeln über dem Getacker des Ventilspiels nicht herausgehört hatte, riskierte so ab 50 tkm seinen Motor

Ich hab’s gehört und meiner hat mittlerweile über 95 TKm drauf

Ich kann nur vermuten, dass die wirtschaftliche Misere nach der Wiedervereinigung, die schließlich zur Abwahl Kohls führte, einen solchen Kostendruck erzeugt hat, dass der Meister im Motorenbau nicht mehr so genau hingeschaut hat, ob und wie da mit dem Eintreibwerkzeug - zudem an einem Auslaufmodell - hantiert wurde, Hauptsache, die kalkulierte und damit budgetierte Produktionszeit wurde nicht überschritten